Beendigung des Arbeitsverhältnisses im polnischen Recht
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedarf wegen dessen Charakters als Dauerschuldverhältnis eines bestimmten Grundes. Das polnische Arbeitsrecht sieht folgende Beendigungstatbestände vor: Aufhebungsvertrag, ordentliche und außerordentliche Kündigung sowie Zeitablauf bei befristeten Arbeitsverträgen. Darüber hinaus gibt es einige spezielle Tatbestände, die zum Erlöschen des Arbeitsverhältnisses führen.
1. Aufhebungsvertrag
Der Aufhebungsvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Der Aufhebungsvertrag darf nicht gegen die sogenannten Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens verstoßen: Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach jede Vertragspartei jederzeit zur Aufhebung des Vertrages durch eine einseitige Erklärung ohne Angabe von Gründen berechtigt ist, unwirksam ist.
Der Aufhebungsvertrag bedarf keiner Form, kann also auch mündlich oder sogar konkludent abgeschlossen werden (Art. 30 § 3 ArbGB e contrario). Das gilt selbstverständlich dann nicht, wenn sich die Parteien im Vertrag die sogenannte Schriftform zur Vermeidung der Unwirksamkeit vorbehalten haben.
2. Ordentliche Kündigung
Jede ordentliche Kündigung in Polen muss einer ganzen Reihe von gesetzlichen Voraussetzungen genügen. Dazu gehören Anforderungen an die Zulässigkeit von ordentlichen Kündigungen, die Form der Kündigungserklärung, den Zugang der Kündigungserklärung, die Kündigungsfristen und an den Kündigungsschutz. Eine Kündigung, die diesen Erfordernissen nicht standhält, ist unwirksam. Ihre Unwirksamkeit kann aber nur vom Arbeitsgericht auf eine Klage des Arbeitnehmers hin festgestellt werden.
Anders als im deutschen Recht ist die Kündigungserklärung im polnischen Recht formbedürftig, Art. 30 § 3 - § 5 ArbGB. Art. 30 § 3 ARBGB ordnet für die Kündigungserklärung Schriftform an, wobei an die Kündigungserklärung des Arbeitgebers höhere Formanforderungen gestellt werden als an die des Arbeitnehmers. Die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigungserklärung muss gem. Art. 30 § 5 ArbGB eine Belehrung über die dem Arbeitnehmer zustehenden Rechtsmittel enthalten. Bei Kündigung eines unbefristeten Vertrages muss der Arbeitgeber gem. Art. 30 § 4 AebGB einen konkreten Kündigungsgrund nennen und den ihm zugrundeliegenden Sachverhalt schildern. Floskelhafte Redewendungen oder die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts genügen dieser Anforderung nicht.
Die Vorschriften des polnischen ArbGB über die Dauer der Kündigungsfristen sind zwingendes Recht, von dem einzelvertraglich nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Die Länge der Kündigungsfristen hängt von der Form des Arbeitsvertrages einerseits und von der Beschäftigungsdauer bei dem Arbeitgeber andererseits ab.
Die Kündigungsfristen im Einzelnen:
Verträge auf Probe, Art. 34 ArbGB:
- 3 Arbeitstage, wenn die Probezeit nicht länger als 2 Wochen ist
- 1 Woche bei einer Probezeit von mehr als 2 Wochen
- 3 Wochen bei einer Probezeit von 3 Monate
Unbefristete und befristete Verträge, Art. 36 ArbGB:
- 2 Wochen bei einer Beschäftigungsdauer von nicht mehr als 6 Monaten
- 1 Monat bei einer Beschäftigungsdauer von mindestens 6 Monaten
- 3 Monate bei einer Beschäftigungsdauer von mindestens 3 Jahren
Dem allgemeinen Kündigungsschutz wird im polnischem Arbeitsrecht auf zweierlei Weise Rechnung getragen. Zum einen muss der Arbeitgeber vor der Kündigung vom Grundsatz her ein Anhörungsverfahren durchführen. Zum anderen muss die Kündigung begründet (gerechtfertigt) sein. Wann eine Kündigung begründet ist, wird im ArbGB nicht definiert, sondern wurde der polnischen Rechtsprechung überlassen. Diese unterscheidet zwischen Kündigungsgründen, die in der Person des Arbeitgebers liegen (z.B. Beschäftigtenabbau oder Auflösung des Arbeitsplatzes) und Kündigungsgründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (personenbedingte Kündigung und verhaltensbedingte Kündigung).
Die Vorschriften über den allgemeinen Kündigungsschutz betreffen nur Arbeitnehmer, die auf unbestimmte Zeit beschäftigt sind (Art. 38, 45 ArbGB). Mindestvoraussetzungen für das Eingreifen des Kündigungsschutzes (z.B. Mindestarbeitnehmerzahl im Betrieb oder eine bestimmte Beschäftigungsdauer), wie dies in §§ 1, 23 des deutschen KSchG festgelegt ist, gibt es im polnischen Recht nicht.
Der allgemeine Kündigungsschutz wird teilweise eingeschränkt, wenn die Kündigung nach den Grundsätzen des Gesetzes über Massenentlassungen erfolgt
Aufgrund des Diskriminierungsverbots nach Art. 113 ArbGB kann Kündigungsgrund nie das Geschlecht, das Alter, eine körperliche Behinderung, die Rasse, die Volkszugehörigkeit, eine Weltanschauung, die Religion, die Gewerkschaftszugehörigkeit, sexuelle Orientierung, die Art des Arbeitsvertrages oder Umfang der Arbeitszeit sein. Es ist unzulässig, die Kündigung auf einen dieser Gründe zu stützen.
Der Kündigungsgrund muss konkret formuliert sein. Floskelhafte Redewendungen (z.B. Vertrauensverlust) sind ebenso wenig ausreichend wie die Wiederholung des Gesetzeswortlauts (z.B. Verletzung von Arbeitnehmerpflichten), soweit keine konkreten tatsächlichen Umstände angegeben werden.
Der besondere Kündigungsschutz betrifft zwei Personengruppen: Arbeitnehmer, die wegen besonderer persönlicher oder familiärer Gründe schutzwürdig sind (z.B. Mutterschutz, Krankheit, nahes Rentenalter, Auszubildende u.a.) und Arbeitnehmer, die bestimmte betriebliche oder politische Ämter inne haben (z.B. Gewerkschaftsfunktionäre). Erstere werden durch Kündigungsverbote geschützt. Bei Arbeitnehmern der zweiten Gruppe ist die Zustimmung der Gremien erforderlich, denen der Arbeitnehmer angehört.
3. Außerordentliche Kündigung
Die außerordentliche Kündigung ist im polnischen Arbeitsrecht eine einseitige empfangs- und formbedürftige Willenserklärung mit dem Inhalt, dass das Arbeitsverhältnis mit Zugang der Kündigung (fristlos) beendet sein soll, Art. 30 § 2 Ziff. 3 ArbGB.
Durch eine außerordentliche Kündigung kann jeder Arbeitsvertrag (unbefristete Arbeitsverträge, zeitlich befristete Arbeitsverträge, Arbeitsverträge auf Probe) aufgelöst werden.
Die außerordentliche Kündigung darf nur dann ausgesprochen werden, wenn einer der in Art. 52, 53 ArbGB katalogartig aufgezählten Kündigungsgründe eingreift. Das polnische Recht begnügt sich nämlich nicht mit einer generalklauselartigen Formulierung wie § 626 BGB (”wichtiger Grund”), sondern nennt abschließend einer Reihe von Gründen, bei deren Vorliegen die Kündigung zulässig ist. Der Vorteil dieser detaillierten Regelung für den Arbeitgeber ist, dass bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes keine weiteren Voraussetzungen, wie die Abmahnung oder die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes, zu beachten sind. Einzelfälle, die nicht unter andere Kündigungsgründe der Art. 52, 53 ArbGB fallen, können meist unter Art. 52 § 1 Nr. 1 ARBGB subsumiert werden, der (insoweit § 626 BGB ähnlich) generalklauselartig gefasst ist: ”schwere Verletzung der Arbeitnehmergrundpflichten”.
Der Arbeitnehmer, dem rechtswidrig gekündigt wurde, hat einen Anspruch auf Wiedereinstellung oder Entschädigung (Art. 56 ArbGB). Hierzu ist die Erhebung der Klage vor das polnische Arbeitsgericht erforderlich.
Hervorzuheben ist, dass sich der polnische Arbeitgeber im Prozess vor dem Arbeitsgericht nur auf die von ihm im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe stützen kann. Eine rechtswidrige Kündigung kann also nicht durch Nachschieben von weiteren Kündigungsgründen im Prozess geheilt werden.
Nach der Systematik des polnischen ArbGB sind die Gründe, die den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen, entweder auf verschuldetes oder auf unverschuldetes Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen.
Bei der außerordentlichen Kündigung ist der Arbeitgeber an bestimmte Erklärungsfristen für den Ausspruch der Kündigung gebunden. Darüber hinaus ist die Anhörung der Gewerkschaft erforderlich. Schließlich ist im Rahmen des besonderen Kündigungsschutzes in einigen Fällen nicht nur die Anhörung, sondern sogar die Zustimmung der Gewerkschaft notwendig.
4. Erlöschen des Arbeitsverhältnisses durch Gesetz
Gesetzliche Erlöschenstatbestände sind:
- Tod des Arbeitnehmers (Art. 631 ArbGB),
- Tod des Arbeitgebers, es sei denn dass der Betrieb im Rahmen des Art. 231 ArbGB übernommen wird (Art. 632 ArbGB),
- 3-monatige Abwesenheit des Arbeitnehmers wegen Untersuchungshaft (Art. 66 ArbGB),
Die Parteien des Arbeitsvertrages können die Rechtsfolgen bei Vorliegen eines der oben aufgezählten Tatbestände nicht verhindern. Das Arbeitsverhältnis erlischt unabhängig von ihrem Willen.
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