Untersuchungshaft in Polen – welche Rechte haben Betroffene?
Die Untersuchungshaft ist in Polen die empfindlichste Sicherungsmaßnahme, die gegenüber einem Verdächtigen bzw. Beschuldigten angewandt werden kann – geregelt ist sie in Art. 250 der polnischen Strafprozessordnung. Polnische Gerichte wenden diese Maßnahme in erster Linie in den Fällen an, in denen befürchtet wird, dass der Verdächtige bzw. Beschuldigte die Flucht ergreifen, sich verborgen halten oder versuchen könnte, das laufende Strafverfahren zur Verdunkelung der Tataufklärung zu beeinflussen. Fluchtgefahr besteht in der Regel dann, wenn es sich bei dem Verdächtigen um einen Ausländer, z.B. einen deutschen Staatsbürger handelt. In solch einem Fall ist es meist schwierig, polnische Gerichte von der Anordnung der Untersuchungshaft abzuhalten.
Untersuchungsgefangene haben grundsätzlich die folgenden Rechte:
1. Untersuchungsgefangene haben das Recht, Aussagen zu machen bzw. die Aussage und/oder Beantwortung von einzelnen Fragen ohne Angabe von Gründen zu verweigern. Von großer Bedeutung ist, dass sie nicht dazu verpflichtet sind, die Wahrheit zu sagen.
2. Falls ein Untersuchungsgefangener über keine ausreichenden Kenntnis der polnischen Sprache verfügt, steht ihm das Recht zu, die Hilfe eines Dolmetschers kostenlos in Anspruch zu nehmen.
3. Untersuchungsgefangene haben das Recht, einen Familienangehörigen oder eine Person deren Vertrauens – bei der es sich auch um deren Arbeitgeber handeln kann – von der Verhaftung zu benachrichtigen.
4. Ist der Untersuchungsgefangene kein polnischer Staatsbürger, hat er das Recht, die Botschaft bzw. das Konsulat zu kontaktieren.
5. Untersuchungsgefangenen steht das Recht zu, Auskunft über den Inhalt der erhobenen Vorwürfe, deren Ergänzungen und Änderungen sowie über die rechtliche Einordnung der ihnen zur Last gelegten Straftat zu erhalten.
6. Als Beschuldigter hat ein Untersuchungsgefangener das Recht, Akteneinsicht zu nehmen in dem Teil, der die dem Antrag auf U-Haft bzw. Verlängerung der U-Haft zugrundeliegenden Beweismittel enthält.
7. Untersuchungsgefangenen steht es zu, innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt der Abschrift des Beschlusses über die Verhängung bzw. Verlängerung der Untersuchungshaft Beschwerde dagegen einzulegen.
8. Untersuchungsgefangene können jederzeit einen Antrag auf Aufhebung der U-Haft oder auf das Ersetzen der U-Haft durch ein anderes, nicht mit dem Freiheitsentzug verknüpftes Mittel, stellen (sog. Haftprüfung).
9. Untersuchungsgefangene haben das Recht zur Inanspruchnahme notwendiger medizinischer Hilfe.
In der Regel ist die Untersuchungshaft zunächst auf die Dauer von drei Monaten begrenzt. Das Gericht kann jedoch auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine Verlängerung der U-Haft bis zu zwölf Monaten verhängen. Die Haftfrist von zwölf Monaten gilt allerdings nur im Rahmen des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens. Wird innerhalb dieser Frist die öffentliche Anklage bei Gericht erhoben, kann die Untersuchungshaft für die Dauer von zwei Jahren verlängert werden, in besonderen Fällen sogar noch länger.
Untersuchungsgefangene haben das Recht, die Hilfe eines von ihm ausgewählten Rechtsanwalts/Verteidigers in Anspruch zu nehmen.
Wenn Sie oder einer Ihrer Familienangehörigen in Polen verhaftet wurde, zögern Sie nicht, mich umgehend zu kontaktieren.